Das Oberlandesgericht Karlsruhe -Familiensenat- hat sich am 16.08.2022 (5 UFH 3/22) mit der Frage auseinander setzten müssen, ob bei der Weigerung der Eltern ihr Kind in die Schule gehen zu lassen eine Kindeswohlgefährdung damit ein Grund für einen Sorgerechtsentzug vorliegt. Beauftragen Sie in einem solchen Fall immer einen Anwalt für Familienrecht der sich mit den Fragen im Sorgerecht auskennt.
Der Entscheidung des Oberlandesgerichts -Familiensenat- Karlsruhe lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem sich die Eltern weigerten, den ältesten Sohn von vier Kindern einzuschulen. Die Eltern begründeten Ihre Entscheidung im Wesentlichen mit den eingeführten Corona-Maßnahmen. Aus Sicht der Eltern würden die Corona-Tests Krebs verursachen. Durch die Masken bestünde die Gefahr, dass Ihr Sohn ersticke. Außerdem befürchteten die Eltern eine Zwangsimpfung ihres Sohnes. Vermittlungsversuche zwischen Jugendamt und Schule scheiterte.
Als der Sohn sodann nicht zu Schule erschienen ist, informierte die Schule das Jugendamt, da aus Sicht der Schule eine Kindeswohlgefährdung vorlag. Die Kindseltern widersprachen der aus ihrer Sicht nicht vorliegenden Kindeswohlgefährdung. Aus diesem Grund sei der Sorgerechtsentzug notwendig.
Im Rahme des erstinstanzlichen Verfahrens, wurden den Eltern das Gebot auferlegt, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen. Gegen dieses Gebot wendeten sich die Eltern und begründeten dies mit der Maskenpflicht. In der Folgezeit erschien das Kind nicht zur Schule. Später trugen die Eltern ergänzend vor, dass sich der Sohn im Rahmen des Freilernen zu Hause gut entwickelt habe.
Der Familiensenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe entzog sodann im Beschwerdeverfahren den Eltern gemäß § 49 FamFG ergänzend zur Entscheidung des Amtsgerichts -Familiengericht- die elterliche Sorge für die Bereiche Schule sowie Aufenthaltsbestimmung während der Unterrichtszeiten. Die Entscheidung hat das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung getroffen.
Das Sorgerecht für die Teilbereiche Schule sowie Aufenthaltsbestimmung während der Unterrichtszeitenwurde auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Darüber hinaus hat das Gericht die Eltern verpflichtet, das Kind während der Unterrichtszeiten herauszugeben. Hierzu wurde dem Gerichtsvollzieher notfalls gestattet, unmittelbaren Zwang auszuüben, um die Herausgabe des Kindes durchzusetzen.
Der Familiensenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe begründete seine Entscheidung damit, dass zur Sicherung der Schulpflicht nach § 1666 I BGB der Entzug der elterlichen Sorge notwendig ist. Es war für das Gericht nicht überzeugend, dass bei hinreichender Wissensvermittlung und hinreichender Sorge für die körperliche, kognitive, sprachliche, emotionale und soziale Entwicklung des Kindes im Einzelfall durch Einholen eines Sachverständigengutachtens oder durch einen positiven Eindruck von dem Kind bei der gerichtlichen Anhörung eine Kindeswohlgefährdung nach § 1666 Abs. I BGB auszuschließen.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Schulpflicht nicht nur der Wissensvermittlung sowie sozialer Fähigkeiten dient. Die allgemeine Schulpflicht dient auch den dahinterstehenden Gemeinwohlinteressen. Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes Interesse daran, dass keine Parallelgesellschaft entsteht. Darüber hinaus dient die allgemeine Schulpflicht Minderheiten zu Integrierern. Für eine offene pluralistische Gesellschaft bedeute der Dialog mit solchen Minderheiten eine Bereicherung.
Besonders hervorzuheben ist in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe -Familiensenat- vom 16.08.2022 (5 UFH 3/22), dass dieses in der Tatsache Verletzung der allgemeinen Schulpflicht, per se eine Kindeswohlgefährdung liegen soll, die einen Entzug des Sorgerechts rechtfertigen soll. Andere Gerichte hatten zuvor noch entscheiden, dass eine Entscheidung im Einzelfall getroffen werden muss. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich andere Gerichte auch der Argumentation des Oberlandesgerichts Karlsruhe -Familiensenat- anschließen. In jedem Fall zeigt diese Entscheidung aber eindeutig, dass Eltern die allgemeine Schulpflicht ernst nehmen sollen. Ansonsten droht zumindest ein teilweiser Entzug des Sorgerechts.
Es gibt viele Grüße, weshalb Jugendämter den Entzug des Sorgerechts beantragen. In einem anderen Rechtsstreit sah das Jugendamt beispielsweise eine Kindeswohngefährdung in der Versäumung von U-Untersuchungen.
Sollten Sie Fragen zum Sorgerecht oder dessen Entzug durch das Familiengericht haben können Sie sich an die Anwälte der PSH Rechtsanwälte Potrafke Schütze Houben Partnerschaft mbH. Sie erreichen uns sowohl in Viersen als auch Mönchengladbach. Herr Houben LL.M. ist Anwalt für Familienrecht und auch in Fragen rund um das Sorgerecht und auch das Umgangsrecht spezialisiert.